29. April 2024
Das Bundesgericht hat entschieden, dass ein Verwaltungsratsmandat ohne eine Wahl an einer rechtsgültig durchgeführten Generalversammlung nicht stillschweigend verlängert wird.
Mitglieder des Verwaltungsrats werden – sofern die Statuten nichts anderes vorsehen – für drei Jahre gewählt. In den Statuten vieler Aktiengesellschaften ist eine Amtsperiode zwischen einem und maximal sechs Jahren vorgesehen oder eine Amtsperiode mit einer Dauer von der letzten ordentlichen Generalversammlung bis zur nächsten. Wenn nun im ersten Halbjahr nach Abschluss des Geschäftsjahrs keine Generalversammlung mit Wahlen durchgeführt wurde, was in der Praxis durchaus vorkommen kann, endet gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Amtsperiode der betroffenen Verwaltungsräte am 30. Juni des Jahres, in dem die Amtsperiode ausläuft.
Zur Begründung führt das Bundesgericht aus, dass die ordentliche Generalversammlung gemäss Art. 699 OR bis am 30. Juni jeden Jahres durchzuführen ist. Wird dies nicht getan und finden bis dahin keine Wahlen für den Verwaltungsrat statt, gibt es keine automatische oder stillschweigende Verlängerung der Amtsperioden. Damit leidet die Gesellschaft nach dem 30. Juni an einem Organisationsmangel, zumindest, sofern alle Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte in derselben Amtsperiode zu wählen sind. Dasselbe gilt, wenn an der Generalversammlung das Traktandum Wahl des Verwaltungsrats ganz vergessen ging.
Was heisst das nun für die Aktiengesellschaft? Die Nichtwahl oder die nicht rechtzeitige Wahl führt dazu, dass die Gesellschaft keine Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte mehr hat und damit unter einem Organisationsmangel leidet. Solange das niemand bemängelt, ist die Situation insofern nicht offensichtlich, als die Handelsregisterämter die Amtsdauer der Verwaltungsräte nicht von Amtes wegen überprüfen oder Wahlnachweise einfordern. Daher bleiben die nicht rechtzeitig oder ordentlich gewählten Mitglieder des Verwaltungsrats im Handelsregister eingetragen und sind so nach aussen hin nach wie vor für die Gesellschaft vertretungsberechtigt. Allerdings gibt es diesen Verwaltungsrat formell nicht mehr, weshalb die Mitglieder desselben auch keine Generalversammlung mehr einberufen können. Tun sie das trotzdem, weil ihnen der Mangel nicht bewusst ist, sind sämtliche Beschlüsse einer durch die nicht gewählten Verwaltungsräte einberufenen Generalversammlung nichtig. Nichtige Beschlüsse werden als nicht zustande gekommen betrachtet und entfalten von Anfang an keine Wirkung. Insbesondere kann ein nichtiger Beschluss auch nicht nachträglich durch Zeitablauf geheilt werden. Dies gilt auch für die vom nicht gültig gewählten Verwaltungsrat an der Generalversammlung traktandierte Wiederwahl des Verwaltungsrats.
Geheilt werden kann dieser Organisationsmangel lediglich mit folgenden Optionen: Hat die Gesellschaft zumindest eine gültig gewählte Revisionsstelle, kann diese eine Generalversammlung einberufen und die Wahlen durchführen lassen. Wenn es jedoch keine Revisionsstelle gibt oder auch deren Amtsperiode abgelaufen ist, kommt diese Variante nicht in Frage.
In einfachen Verhältnissen kann auch eine Universalversammlung durchgeführt werden, als Versammlung aller Aktionäre. Eine Universalversammlung kann jederzeit und ohne formelle Einberufung stattfinden. Sie kann insbesondere auch sämtliche Beschlüsse rechtsgültig treffen. Allerdings müssen dafür sämtliche Aktionärinnen und Aktionäre anwesend oder vertreten sein, was faktisch Einstimmigkeit für die vorzunehmenden Wahlen bedeutet.
Wenn beide Optionen nicht durchführbar sind, leidet die Gesellschaft an einem Organisationsmangel, den sie selbst nicht beheben kann. Dann bleibt nur noch der Gang zum Gericht. Sind alle Mitglieder des Verwaltungsrats wieder gewählt oder durch das Gericht eingesetzt, müssen die seit Eintritt des Organisationsmangels erfolgten, nichtigen Generalversammlungsbeschlüsse wiederholt bzw. rückwirkend genehmigt werden, um ganz sicher zu gehen, dass keine weiteren nicht bedachten Konsequenzen bestehen bleiben.
Zu beachten ist, dass diese Rechtsprechung des Bundesgerichts auch für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die durch die Gesellschafterversammlung zu wählenden Geschäftsführer gilt.
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